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Beweis der Unmöglichkeit von Zeitumkehr

Ein sehr kurzes Argument zeigt, dass Zeitumkehr unmöglich ist, und zwar prinzipiell und nicht nur aus statistischen Gründen. Dasselbe Argument beweist, dass Anfangsbedingungen und physikalische Gesetze keinen Ausgangspunkt für exakte Berechnungen der Entwicklung physikalischer Systeme darstellen – nicht einmal unter idealisierten Bedingungen.

Wir betrachten zwei Objekte A und B, die miteinander wechselwirken und sich relativ zueinander bewegen, zwischen zwei Zeitpunkten T0 und T2.

Die Frage ist: Entspricht die zeitliche Umkehrung dieses Prozesses einem realen Vorgang?

Die Antwort ist nein. Der zeitlich umgekehrte Vorgang ist in der Wirklichkeit nicht möglich, und das gilt in jedem Fall – gleichgültig, um welche Objekte und Wechselwirkungen es sich handelt und in welcher Umgebung sie sich befinden – auch dann, wenn alle beteiligten Gesetze zeitsymmetrisch sind.

Begründung:

T1 sei ein Zeitpunkt, der zwischen T0 und T2 liegt. A befindet sich am Ort OA(T1), B am Ort OB(T1).

Da die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wechselwirkung endlich ist, gilt Folgendes:

Die von B stammende Wirkung, der A zum Zeitpunkt T1 unterworfen ist, geht nicht von B am Ort OB(T1) aus, sondern von einem Ort, an dem B vorher war, und zwar genau so lang vorher, wie die Wirkung brauchte, um von dort aus nach OA(T1) zu gelangen. Nennen wir diesen Ort OB(vorwärts).

Jetzt betrachten wir den zeitlich rückwärts laufenden Prozess. Wieder greifen wir den Zeitpunkt T1 heraus. Wenn wir den Prozess als real betrachten, dann gilt nun abermals, dass die Wirkung, die B auf A zum Zeitpunkt T1 ausübt, nicht von B am Ort OB(T1) ausgeht, sondern von einem Ort, an dem B vorher war. Da sich aber nun die Bewegungsrichtung von B umgekehrt hat, muss B auf seiner Bahn in die Gegenrichtung versetzt werden, an einen Ort, den wir OB(rückwärts) nennen.

Es gilt in jedem Fall:

OB(vorwärts) ≠ OB(rückwärts)

Eine notwendige Bedingung für einen zeitsymmetrischen Vorgang ist jedoch, dass die Beschleunigung, die auf die beteiligten Objekte ausgeübt wird, in beiden Zeitrichtungen zu jedem Zeitpunkt identisch ist.

Da aber die Orte, von denen aus der Bewegungszustand von A und B durch das jeweils andere Objekt verändert wird, für beide Zeitrichtungen verschieden sind, ist diese Bedingung hier offensichtlich nicht erfüllt.

Also ist der in der Zeit rückwärts laufende Prozess kein real möglicher Vorgang.

Bemerkungen

1. Die Definition des obigen Szenarios ist so allgemein, dass sie jeden möglichen physikalischen Prozess einschließt: in jedem Prozess muss es Objekte geben, die miteinander wechselwirken, sodass sie gegenseitig ihren Bewegungszustand verändern. Es ist dabei gleichgültig, welche Wechselwirkungen das sind und auf welche Weise sie formuliert sind: in jedem Fall gilt, dass die Objekte Quellen der Wirkungen (Träger der "Ladungen") sind und dass die Wirkung, die ein Objekt auf ein anderes Objekt ausübt, auch vom Ort des Objekts abhängt.

2. Auch wenn die Überprüfung der Bedingung "identische Beschleunigung in beide Zeitrichtungen zu jedem Zeitpunkt" in der üblichen physikalischen Darstellung des Szenarios nicht möglich sein sollte, so existiert doch jedenfalls eine Darstellung, in der sie durchführbar ist.

3. Die weit verbreitete Überzeugung, dass aus der Zeitsymmetrie der Gleichungen, die einen physikalischen Vorgang beschreiben, auch die Zeitsymmetrie dieses Vorgangs selbst folgt, wird durch unser Argument widerlegt.

4. Eine interessante Frage ist, in welchem Maß das Argument sich auf die Beurteilung einiger Szenarien auswirkt, die in der Diskussion über Zeitumkehr eine wichtige Rolle spielen, wie etwa das Szenario, in dem sich alle Moleküle eines Gases am Anfang in einem winzigen Teilvolumen eines geschlossenen Behälters befinden und nach einiger Zeit im ganzen Behälter verteilt sind. Ich vermute, dass auch in diesem Fall die Abweichungen (Winkeländerungen der Trajektorien), die aus unserem Argument folgen – selbst wenn sie extrem klein sind – sich schon nach einer relativ kurzen Zeitspanne soweit aufschaukeln, dass sie die zeitliche Umkehrung des Vorgangs verhindern: die Moleküle werden sich nicht wieder in dem winzigen Teilvolumen versammeln – auch dann nicht, wenn die Bedingungen am Ende des Prozesses vollkommen exakt als Ausgangsbedingungen des zeitlich umgekehrten Prozesses dienen. (Das ist allerdings nur eine Vermutung; wie lange man den Prozess tatsächlich laufen lassen müsste, damit dieser Ausgang verhindert wird, habe ich nicht berechnet.)

5. Thermodynamischen Argumenten zufolge ist Zeitumkehr unwahrscheinlich. Unser Argument beweist dagegen, dass sie unmöglich ist.

Weitere Folgerung:

Genaue Kenntnisse der Anfangsbedingungen und Gesetze gelten allgemein als sicherer Startpunkt für die Berechnung der Entwicklung physikalischer Systeme. Erst Einschränkungen des Messens und Rechnens verhindern dann exakte Ergebnisse.

Unser Argument zeigt aber, dass es eine prinzipielle (absolute) Einschränkung gibt: auch ein Laplacescher Dämon mit unendlichen Ressourcen an Raum, Zeit und Information wäre nicht imstande, auf der Basis von Anfangsbedingungen und Gesetzen eine exakte Berechnung durchzuführen, weil er damit nicht einmal beginnen könnte: Um die Wirkungen, denen irgendeines der Objekte des Systems am Beginn unterworfen ist, zu bestimmen, müssten ja alle anderen Objekte an die Orte zurückversetzt werden, von denen diese Wirkungen ausgehen, und das kann offensichtlich nicht exakt durchgeführt werden, weil ja für alle Objekte dasselbe gilt.

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