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Der Anfang

„Die Vorgeschichte zu dieser Homepage“ oder „Wie ich aus der Welt heraus gefallen und auf dem Grund der Dinge gelandet bin“.

„Kunst“ zu definieren wäre eine schwierige Aufgabe. Aber es gilt sicher, dass sich seit der Renaissance im Werk der Charakter und die Fähigkeiten des Künstlers offenbaren, und ebenso der Charakter, das Wissen und das Weltbild der Zeit: Wir erfahren durch Kunst, wer wir sind.

Wer sind wir also?

„Die Welt“ vom 22.06.2005:

„London – Drei von einem Schimpansen gemalte abstrakte Gemälde haben bei ihrer Versteigerung in einem Londoner Auktionshaus umgerechnet 21.600 Euro eingebracht. Die Bilder [.....] gingen an den US-Amerikaner Howard Hong, einen ‚großen Liebhaber der modernen und zeitgenössischen Malerei‘, teilte das Auktionshaus Bonhams am Montag mit. Hong gab an, er hätte bis zu einem Preis von umgerechnet 40.000 Euro weiter geboten. ‚Viele Leute haben mir gesagt, es sei billiger, mir meinen eigenen Schimpansen zu kaufen und ihn mit Pinsel und Leinwand in einen Raum zu sperren‘, sagte der Kalifornier. Doch die Bilder Congos seien absolut einmalig und erinnerten stilistisch an einen frühen Kandinsky. Er bedauerte jedoch, dass Congo den Bildern nie einen Titel gegeben habe.“

Informationsdienst Ruhr, 24.05.2000:

„Duisburg. Seine Bilder fanden reißenden Absatz: Mehr als 75.000 Mark erhielt der Zoo Duisburg aus dem Verkauf der Bilder von ‚Happy‘, dem malenden Affen. Für seine Kunstwerke wurden zuletzt fünfstellige Summen gezahlt. Die letzten fünf Bilder des tierischen Meisters werden jetzt von einer Trierer Galerie auf dem internationalen Kunstmarkt angeboten. Ob ‚Happy‘ nochmal (Anmerkung des Autors: nach seiner großen Schaffenskrise) zu Pinsel und Farbe greifen wird, ist ungewiss.“

Affen, die malen? – denen nicht bloß das Interesse von Zoologen, Verhaltensforschern oder Strukturalisten ent­gegen­gebracht wird, sondern die als Künstler unsere Aufmerksamkeit erregen?

Ist das ein Zeichen dafür, dass eine längst überfällige Aufhebung der Grenze zwischen zwei Arten erfolgt ist, deren kultureller Vereinigung nun nichts mehr im Weg steht? Werden Affen bald auch Wissenschaft und Politik erobern? Oder haben sie das etwa schon getan?

Noch deutlicher wird uns das Verschwinden des Unterschieds zwischen Mensch und Affe im nächsten Fall vor Augen geführt. (Das Folgende stammt von Ephraim Kishon, zitiert nach http://weg-mit-dem-muell.blogspot.co.at/2014/02/kishon-autor-von-70-millionen.html).

"Nehmen wir als .... Beispiel jene Folge der Fernsehsendung "Versteckte Kamera", die vor zwei Jahren ausgestrahlt wurde. Zwei fröhliche Schimpansen waren da zu sehen, die Stoffe mit Farben beklecksten. Danach brachte man die Kunstwerke des begabten Affenpaares auf die Ausstellung "Junge Wilde aus der dritten Welt", die in dem noblen Hanse-Viertel in Hamburg stattfand.

Das hochkarätige Publikum wanderte bei der feierlichen Vernissage in geistiger Hochstimmung zwischen den unsinnigen Schmierereien herum. Auch die anwesenden Kunstexperten ließen es sich nicht nehmen, die atemberaubenden Kunstwerke in den höchsten Tönen zu loben.

Der renommierte Kunstkritiker der angesehenen "Zeit" beglückwünschte "die Künstler aus Afrika" zu ihrer ungewöhnlichen Begabung: "Obwohl der Einfluß der europäischen Malerei, vornehmlich der Malewitschs und Mirós nicht zu verkennen ist, betrachte ich die Bilder mit Respekt und Vergnügen". Auch der Direktor der Hamburger Kunsthalle stellte seinen geschulten Blick und seinen exquisiten Sachverstand unter Beweis: "Ich finde die Bilder frisch und jung und schön dekoriert. Die Maler arbeiten mit sparsamsten Mitteln, mit nur vier Farben. Gelb-grün-gelb-grün, am Anfang ein Blau - und als Gegengewicht oben und unten ein Rot. Perfekt."

Zwar sahen ein paar Millionen Zuschauer die "Versteckte Kamera" im Fernsehen – das Affentheater wurde in der Presse aufgedeckt –, aber das war's dann auch schon. Der renommierte Kunstkritiker schreibt sicherlich weiterhin für die angesehene "Zeit", und der Direktor der Kunsthalle fungiert bestimmt nach wie vor in dieser wichtigen kulturellen Institution Hamburgs, als oberste Autorität in Fragen der Kunst."

Kein noch so zynischer Versuch, ein vernichtendes Urteil über den Zustand moderner Kunst zu fällen, könnte die Aussagekraft dieses wirklichen Ereignisses übertreffen. Sie alle haben sich lächerlich gemacht, und sie hätten daraus etwas lernen sollen. Die Kritiker hätten den Beruf wechseln müssen.

Nichts dergleichen geschah. Alles ging weiter wie vorher. War ja nichts! War ja bloß lustig!

Nein, es war nicht lustig.

Wer sind wir also?

Die Antwort könnte nirgends klarer erscheinen als in diesem Szenario des malenden Affen. Denn hier hat sich offenbar nicht der Affe zum Menschen gemacht – das läge außerhalb seiner Möglichkeiten – sondern der Mensch zum Affen.

Von der Selbstverstümmelung, die in der Malerei stattgefunden hat, war ich allerdings selbst nicht direkt betroffen – ich habe nie ein Bild gemalt. In anderen Bereichen aber war ich unmittelbar beteiligt.

Es begann mit Physik.

Wieso Physik? – Ist Physik nicht die Voraussetzung für die wunderbaren technischen Leistungen unserer Zeit und geradezu das Symbol neuzeitlicher Großartigkeit?

Ohne Zweifel ist das so. Die mathematische und technische Seite der Physik ist großartig! Aber das ist nur eine Seite – die Interpretation der Theorien schließt nahtlos an die Geschichte mit den malenden Affen an.

Betrachten wir ein allgemein bekanntes Beispiel: den sogenannten Welle-Teilchen-Dualismus.

Was würden Sie eigentlich von jemandem halten, der Ihnen erzählt, er habe soeben eine Kreuzung zwischen einem Schwein und einer Trompete gesehen? Er wisse nicht, was das gewesen sei, es war wohl eigentlich keins von beiden, aber er sei ganz sicher, dass es immer dann, wenn er es mit dem linken Auge betrachtete, ein Schwein war, und wenn er es mit dem rechten Auge beobachtete, eine Trompete. Er habe lange versucht, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, aber schließlich habe er erkennen müssen, dass eben dies das einzige sei, was überhaupt festgestellt werden könne.

Zweifellos würden Sie ihn für verrückt halten! Was ist aber nun, wenn Ihnen ein Physiker erzählt, er habe etwas gefunden, was sich wie ein Teilchen und wie eine Welle verhält, je nachdem, wie er es beobachtet? Das ist doch dasselbe wie das Trompetenschwein. Warum sagen sie also nichts?

Sie sagen nichts, weil Sie meinen, er habe für seine unsinnige Behauptung Gründe, die stark genug sind. Für Unsinn gibt es aber niemals ausreichende Gründe, weder für ein Trompetenschwein noch für ein Wellenteilchen.

Wenn also offensichtlicher Unsinn behauptet wird, dann ist nicht die Natur pathologisch verunstaltet, sondern die Gründe für den Unsinn haben das Problem, eigentlich gar keine zu sein – und das ist immer so!

Müssen wir nicht trotzdem annehmen, dass die Physiker ihre Behauptung überprüft haben, so weit das überhaupt möglich ist? Sie wissen doch so viel und sie sind so wahnsinnig intelligent!

Eine Gegenfrage: Glauben Sie, dass es in der Kunst nur Idioten gibt?

Sicher nicht! Wir können zwar für eine vollständige Erklärung des Phänomens malender Affen auf diese Annahme nicht ganz verzichten, aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Entscheidend ist, dass sich solche Entwicklungen mit geschichtlicher Notwendigkeit vollziehen und dass Intelligenz allein dagegen kein wirksames Bollwerk darstellt.

Und im Fall des Wellenteilchens – hätte da tatsächlich die Möglichkeit bestanden, diesen Unsinn zu vermeiden? Ja, natürlich. Für eine Erklärung müsste man aber ein wenig mehr ins Detail gehen, als ich es im Rahmen dieser einleitenden Plauderei tun will, und deshalb verweise ich Sie auf andere Stellen meiner Homepage. (Z.B. hier, wo, beginnend mit Seite 23, das bekannteste Welle-Teilchen-Paradoxon – das Doppelspalt-Experiment – aufgeklärt wird.)

Nachdem mir noch schlimmerer Unsinn als unverrückbare Tatsache präsentiert worden war (etwa die sogenannte Reduktion der Wellenfunktion), entfloh ich und wandte mich voller Hoffnung dem wahren Tempel der Weisheit zu – der Philosophie.

Ganz abgesehen davon, dass das Gebäude, in dem das Fach Philosophie untergebracht war, auch dem idealistischsten Blick nicht als Tempel erscheinen konnte – die Einrichtung war devastiert, einerseits durch den veränderten Eigentumsbegriff der 68er und ihrer Nachfolger (die hatten schon Jahre vorher fast alle Spiegel und Waschbecken und was sonst nicht niet- und nagelfest war abgebaut und mit nach Hause genommen), und andererseits dadurch, dass die Beschmierung und Zerstörung kapitalistischer Bauwerke als politisch wichtige Arbeit eingeschätzt wurde – hatte ich das Pech, auf den Konstruktivismus zu treffen.

Die erkenntnistheoretische Position des Konstruktivismus ist, dass wir die Welt nicht abbilden, sondern konstruieren. Da draußen ist nicht etwa das, was wir zu sehen meinen, sondern irgendetwas, über das wir nicht mehr aussagen können, als dass jenes Bild, das uns das Spiel unserer Neuronen mit sich selbst vorgaukelt, genug Wirklichkeit enthalten muss, um uns das Überleben in dieser ansonsten vollkommen unbekannten Umgebung zu ermöglichen.

Nicht einmal der geometrischen Beschaffenheit unserer Umgebung können wir also sicher sein.

Heilige Aufklärung! Was für ein Unsinn!

Natürlich bilden wir die Welt nicht einfach ab! Natürlich rekonstruieren wir sie. Aber nichts anderes wäre bei einem Roboter der Fall, von dem wir erwarten, dass er sich irgendwo allein zurechtfindet. Solche Leistungen wie die Unterscheidung von Figur und Hintergrund oder zwischen Information und Rauschen können durch eine bloße Abbildung gar nicht erbracht werden: es bedarf dazu eines Modells der Umwelt; die Umwelt muss also rekonstruiert werden.

Das rechtfertigt aber keinen Zweifel an der Richtigkeit der Rekonstruktion: Jede andere Erklärung der Tatsache, dass ich eine stark befahrene Straße ohne Verletzung überqueren kann, als die, dass ich die Wirklichkeit richtig rekonstruiere, wäre doch vergleichsweise mühsam! Ganz zu schweigen davon, dass die konstruktivistische Argumentation ja voraussetzt, dass unser Bild von Neuronen richtig ist und somit ihre eigene Voraussetzung aufhebt. Es ist ein destruktiver Zirkel von geradezu lächerlicher Kleinräumigkeit.

Leider war der Konstruktivismus nicht bloß eine exotische Position – nein, er war Mode. Und wer die Wissenschaft kennt, weiß, was dann passiert: fast jeder hängt sich an diese Mode an. Jeder will möglichst viel öffentliche Aufmerksamkeit, nicht nur weil es so schön ist, im Fernsehen zu sein und weil Wissenschaft immer mehr zur Selbstinszenierung verkommt, sondern weil auch die Verteilung von Forschungsgeldern immer mehr davon abhängt. Konstruktivistische Glaubensbekenntnisse wurden Pflicht, und konstruktivistische Formulierungen wurden epidemisch. Die Sache wuchs sich zu einem echten hygienischen Problem aus.

Also floh ich wieder – diesmal ans Klavier.

Welch ein Labsal! 88 Tasten als Schlüssel zu einer wunderbaren Welt aus Struktur und Leidenschaft, kodiert in Klängen! Bei Musik erfährt man Gefühle, die es sonst nicht gibt: wortlose, reine Bewegungen der Seele.

Aber leider nur bei Musik bis 1920.

Die zu diesem Zeitpunkt einsetzende Zwölftonmusik tritt nämlich nicht als Retter der abendländischen Musik auf, wie Schönberg dachte, sondern als ihr Totengräber. Eine in mehr als tausend Jahren gewachsene Ausdrucks­struktur bricht zusammen, und das Grundprinzip der Zwölftonmusik, die Reihe, ist keine Weiter­entwicklung des tragenden Parameters Harmonik, sondern bloß eine mathematische Krücke, mit der die Musik jedoch, wie sich ja auch klar gezeigt hat, nicht weit kommt.

Ab diesem Zeitpunkt verliert die Musik jede Verbindlichkeit. Sie ist seither auf der Suche nach sich selbst, nach dem verlorenen Sinn – aber darin unterscheidet sie sich ja nicht von anderen Künsten.

In manchen Szenarien tritt der Verfall so deutlich hervor, dass sie wie groteske Inszenierungen wirken. Etwa bei akademischen Klavierprüfungen. Verlangt werden Konzertstücke aus verschiedenen Stilepochen. So ist vielleicht zuerst Bach zu hören, dann Beethoven, dann Chopin, und zuletzt ein modernes Stück.

Modern – das bedeutet hier nicht weniger als: ab jetzt herrscht völlige Narrenfreiheit.

Zuerst wird vielleicht irgendwelches Zeug ins Klavier gestellt, um den Klang zu verändern (der sich über Jahrhunderte bis zu seiner gegenwärtigen Perfektion entwickelt hat). Dann setzt sich der Spieler auf die Tastatur und blickt nacheinander in verschiedene vom Komponisten vorgeschriebene Richtungen, wobei er „toff dunk gorg wuz“ sagt, diesen ausdrucksstarken Text sodann frei variiert und mit dem Hinterteil auf der Tastatur auf und ab wippt.

Oder der Ausführende stellt ein Radio aufs Klavier und stellt eine festgelegte Frequenz ein. Es hängt vom jeweiligen Standort ab, was dann zu hören ist – meistens Rauschen, manchmal ein unsauberes Signal. Dazu spielt er das, wozu ihn eine graphisch notierte Skizze inspiriert, die so aussieht wie das Bild eines Rorschach-Tests.

Fabelhaft! Mit Auszeichnung bestanden! Ein Hoch auf die entfesselte Kreativität! Endlich erschallt über der Kulturlandschaft, die Jahrtausende lang nur das gequälte Stöhnen von Kreaturen kannte, die in der Zwangsjacke überlieferter Ausdrucksformen steckten, wieder der Schrei der Spontaneität! Auf zum Bilder schütten, Musik furzen und Kunst scheißen!

Schade, dass noch niemand daran gedacht hat, solche Musik und malende Affen zu einem Gesamtkunstwerk zu vereinen. Dazu könnte man einen Physiker über den Welle-Teilchen-Dualismus vortragen lassen, während ein kurzsichtiger Konstruktivist über die Bühne stolpert.

Ja, ich weiß – nicht alle sind verrückt, es gibt auch aufrichtig Suchende, und ganz selten gelingt auch etwas. Dennoch: es kann nicht bezweifelt werden, dass alle tradierten Systeme, in denen Sinn und Bedeutung kodiert waren, vernichtet sind, und dass deshalb gar keine Verbindlichkeit mehr möglich ist. Das hat zur Folge – wie man am Phänomen der malenden Affen mit drastischer Deutlichkeit erkennt – dass schließlich alle Unterscheidungen verschwinden. Anything goes, und was auffällt, hat Erfolg.

Ursprünglich hatte ich gedacht, meine üblen Erfahrungen wären nur ein Problem des jeweiligen Fachs und ich könnte dem Unsinn entkommen, wenn ich das Fach wechselte. Im Lauf der Zeit wurde mir aber klar, dass ich es nicht mit fachspezifischen Unannehmlichkeiten zu tun hatte, sondern mit einem Charakteristikum der Zeit, das mich überall einholen würde. Eigentlich war es immer derselbe Unsinn, der mich verfolgte, und nur seine Gestalt war jedes Mal eine andere.

Oder vielleicht formuliert man den Sachverhalt am besten so:

Es gibt außer den rein funktionell-technischen Kriterien – in der Politik heißen sie Sachzwänge – keine anderen verbindlichen Grundlagen der Beurteilung mehr. Die Grenze zwischen Sinn und Unsinn hat sich aufgelöst. Und – so lautet die fatale Gesetzmäßigkeit – gerade dort, wo dieser Prozess am weitesten fortgeschritten ist, existiert zugleich das geringste Bewusstsein davon.

Was kann man tun, wenn man meint, dass die Welt verrückt geworden ist, und wenn man nicht selbst genauso verrückt werden will?

Dann muss man sich aus dieser Welt zurückziehen. Dazu gibt es keine Alternative, und die Frage ist nur, wie man diesen Rückzug gestaltet.

Ich habe mich entschlossen, für mich allein die Reichweite der Erkenntnis und der Vernunft zu erkunden. Deshalb bin ich zu den physikalischen Grundfragen zurückgekehrt. Dort werden sowohl die Grenzen der Erkenntnis als auch die Verletzungen der Vernunft am deutlichsten sichtbar – denken Sie nur an das Wellenteilchen – und nur dort ist das, was behauptet wird, wirklich überprüfbar.

Anfangs gab ich mir kaum Chancen, irgendetwas Neues zu entdecken. Niemand, der halbwegs bei Sinnen ist, könnte sich bei physikalischen Fragen, an denen die großen Denker gescheitert sind, irgendwelche Hoffnungen auf die Entdeckung einer Lösung machen. Und ich habe diesen Weg ja nicht deshalb gewählt, weil ich meinte, dafür auserwählt zu sein, sondern weil mir nichts anderes übrig blieb.

Nach einer mehrjährigen Phase der Einarbeitung und des unbestimmten Suchens ereignete sich aber etwas Unerwartetes:

In meiner Vorstellung nahm plötzlich ein Gedanke Gestalt an, der geeignet erschien, die Relativitätstheorie wirklich zu verstehen, d.h. nicht bloß ihre Notwendigkeit zu erkennen und ihre mathematische Struktur nachzu­vollziehen, sondern die relativistischen Phänomene – das von der Bewegung abhängige Vergehen der Zeit und die Längenkontraktion – unmittelbar einzusehen. Zuerst war es ein bloßes Vorbeihuschen von etwas Undeutlichem, das ich nicht gleich fassen konnte, und es dauerte einige Zeit, bis ich es soweit verstand, dass ich es als Satz formulieren konnte:

Es gibt nur Lichtgeschwindigkeit.

– Mit der unmittelbaren Folgerung:

Alles, was existiert, ist ein Interferenzphänomen.

Das mag seltsam klingen, aber es stellt tatsächlich die notwendige und hinreichende Bedingung der speziellen Relativität dar. (Hier nachzulesen.) Dieser Sachverhalt war mir in einem solchen Maß einleuchtend, dass ich zuerst dachte, wenn ich ihn heute jemandem mitteilte, dann wüsste morgen die ganze Welt Bescheid.

Was für ein naiver Irrtum! Inzwischen weiß ich, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich könnte ihn jedem mitteilen, und nicht das Geringste würde sich ändern.

Das ist schade. Denn der Satz „Es gibt nur Lichtgeschwindigkeit“ hat als begriffener, d.h. als Erkenntnis, den Charakter vollständiger Gewissheit. Darüber hinaus aber – was noch viel wichtiger ist – erklärt dieser Satz nicht nur die Spezielle Relativität, sondern stellt auch den Ausgangspunkt zur Auflösung der Inter­pretations­probleme der Quantentheorie sowie physikalischer Begriffe überhaupt dar.

Schon dieser eine Satz allein hätte also – in all seinen Konsequenzen durchdacht – eine Erneuerung der physikalischen Grundlagen zur Folge.

Er weist auf eine stetige, fundamentale Ebene der Wirklichkeit hin, die gewissermaßen unter die gegenwärtige Physik geschoben werden kann und als Basis für die Definition und das Verständnis physikalischer Begriffe dient, die bis jetzt nur Elemente eines mathematischen Schemas waren und sich außerhalb dieses Schemas entweder als unzugänglich oder sogar als absurd erwiesen haben.

Es ist aber nicht etwa so, dass dieser Satz den einzigen Ausgangspunkt bildet, von dem aus das neue physikalische Konzept sichtbar wird: Von verschiedenen physikalischen Fragestellungen aus gelangt man immer wieder zu derselben stetigen Basis. Schließlich führt auch der rein philosophische Versuch einer Grundlegung der Physik wiederum zum selben Ergebnis. Das Ausmaß der internen Stimmigkeit des ganzen Systems ist also hoch.

Wenn der Bann konventioneller Denk-Einschränkungen erst einmal gebrochen ist, beginnen die Gedanken freier zu fließen; physikalische Tatsachen erscheinen in einem neuen Licht, und Zusammenhänge, die zuvor nur durch Gleichungen gegeben waren und einfach hingenommen werden mussten, werden geometrisch einsichtig.

Es liegt aber auch im Wesen einer solchen einsamen Unternehmung, dass das Risiko eines Irrtums groß ist. Auch wenn man sich noch so sehr bemüht, kann doch Selbstkritik niemals die Auseinandersetzung mit anderen ersetzen. Einige Annahmen werden dadurch nicht in Frage gestellt – wie z.B. die über Lichtgeschwindigkeit, manche Vermutungen aber bleiben unsicher, solange sie nicht durch andere überprüft worden sind.

Wer meint, dass die Standardphysik auf dem richtigen Weg ist, wird ohnehin nicht gewillt sein, Alternativen eine Chance zu geben. Wer allerdings daran zweifelt, dass sich die Dinge wirklich auf die von der Standardphysik behauptete absurde Weise verhalten, der ist vielleicht bereit, auch scheinbar sicheres Wissen nicht als Dogma aufzufassen.

Mir selbst allerdings erscheinen die Ergebnisse, die Sie auf diesen Seiten vorfinden, geradezu wunderbar. Ursprünglich wollte ich nur einige physikalische Paradoxien auflösen, und auch dafür hatte ich mir kaum eine Chance gegeben. Nun aber ist nicht nur dieses anfängliche Ziel erreicht – das Projekt hat sich zu etwas viel Größerem entfaltet: zu einem neuen Verständnis der Welt, das wegen seiner Geschlossenheit und Folgerichtigkeit und auf Grund des Fehlens unverständlicher oder gar unmöglicher Begriffsbildungen ohne Einschränkung vernünftig genannt werden kann.

Es beginnt mit der Antwort auf die Frage, warum überhaupt etwas ist und nicht nichts.

Darauf folgt die Antwort auf die Frage, was das, was ist, eigentlich ist.

Der Aufbau der Physik wird philosophisch begründet und auf eine einzige Gleichung zurückgeführt, in der genau die beiden physikalischen Größen in Beziehung gesetzt sind, die als einzige für uns verständlich sind: Maß und Bewegung.

Schließlich wird ein Begriff des Seienden abgeleitet, der es ermöglicht, Geist als Teil der Natur aufzufassen, ohne die Willensfreiheit aufzugeben.

Damit sind die Säulen der Vernunft errichtet, die sicheren Halt gegen die anbrandenden Wogen des Unsinns bieten:

Die Welt ist begreifbar. Es gibt keine Lücken in unserem Verständnis der Natur, in die Irrationales eindringen kann.

Wir sind zwar Teil der Natur, aber unser Sein ist von spezifischer Art: Es ist durch Freiheit und Sinn gekennzeichnet.


Epilog

Der Charakter einer Kultur spiegelt sich in ihren Versuchen, die Entstehung des Universums und seinen Wandel zu erklären.

Deshalb müssen Vernunft und Aufklärung in einer Kultur, deren fundamentale Welterklärung solche Absurditäten beinhaltet, wie sie gegenwärtig zur Interpretation physikalischer Theorien gehören, unwei­gerlich anderen, primitiveren Arten des Denkens und des Umgangs mit der Welt weichen. Auf einer derart irrationalen Basis, anscheinend ohne die geringste Chance irgendetwas wirklich zu verstehen, ist jeder Versuch eines vernünftigen Weltkonzepts – auch außerhalb der Physik – zum Scheitern verurteilt. Ohne ein solches Konzept, das, sei es uns bewusst oder nicht, die Grundlage unseres Denkens und Handelns sowie unserer Werte und Ziele bildet, geht aber schließlich jede Art von Sinn verloren. Wenn sich die Unterscheidung zwischen Sinn und Unsinn an der Basis verflüchtigt hat, dann wird sie schließlich nirgends mehr möglich sein; Wenn unsere vermeintlich tiefste Einsicht die Welt in eine Black Box verwandelt, über deren Inneres wir nur wirres Zeug reden können, dann werden wir uns zuletzt vollends in Idioten verwandeln.

Kein kulturelles Phänomen kann unabhängig von allen anderen gesehen werden. Es mag sein, dass charakteristische Entwicklungen in verschiedenen Gebieten nicht immer synchron verlaufen. Das ändert aber nichts an ihrer wechselseitigen Bedingtheit. Deshalb sind die paradoxen Behauptungen der Physik (der sogenannte Welle-Teilchen-Dualismus, der durch nichts vermittelte Zusammenhang zwischen beliebig weit voneinander entfernten Messungen, die Reduktion der Wellenfunktion usw.) nicht bloß elitäre und exotische Spielereien; sie müssen vielmehr als Symptome der bedenklichen Verfassung des gegenwärtigen kulturellen Subjekts verstanden werden. Und mehr als das: Die Leitfunktion, die die Physik innehat, macht solche Behauptungen zu tiefen Rissen in der ohnehin brüchigen Umzäunung des Raumes der Vernunft, durch die die alten, mühsam besiegten Dämonen wieder eindringen. Kaum ein Esoteriker, der auf sich hält, verzichtet auf den Hinweis auf die Quantentheorie. Ein Schwall von Irrationalität ergießt sich über die Welt, gegen den auch Physiker nicht gefeit sind. In den Randgebieten der Physik entsteht eine heillose Verbindung von Physik und Esoterik, die längst auf das Alltagsbewusstsein übergegriffen hat; nahezu jeder, der sich zu ontologischen Fragen äußert, scheint derselben Art von Wahnsinn verfallen zu sein.

Diese Selbstzerstörung der Vernunft durch Hingabe an das Geheimnisvolle und Unsagbare, die sich in der Physik – und nicht nur dort – ereignet hat, lässt sich erst dann wirklich verstehen, wenn sie als Teil des allgemeinen Prozesses der Destruktion bestehender Ordnungs- und Sinnstrukturen gesehen wird, der die Künste, Wissenschaften, das soziale Gefüge, die Politik usw. – kurz: die ganze Kultur ergriffen hat. So wie in der Kunst der Ausdruck durch die Zerstörung der Ausdrucksmittel, im sozialen Gefüge und in der Politik der Sinn durch den Verfall der Werte, so wird in der Physik die Erkenntnis durch den vollständigen Verlust der Erklärungen entstellt, der überdies von einer ebenso vollständigen Bewusstlosigkeit begleitet ist.

Und doch wäre das alles nicht mehr als ein unsinniges Räsonnieren, wenn bei den momentan für gültig gehaltenen Interpretationen physikalischer Theorien tatsächlich jene Notwendigkeit bestünde, in der die Physiker selbst sich gefangen sehen, so dass das Scheitern der Vernunft und der Rückzug ins mathematische Schema unvermeidlich wären.

Woraus besteht die Welt? Ist das, was sie im Innersten zusammenhält, wirklich von solcher Absurdität, wie die gegenwärtige Physik uns glauben machen will? Oder ist es doch möglich, auf die fundamentalen Fragen, zu denen uns die Grundlagenphysik hingeführt hat, eine vernünftige und verständliche Antwort zu geben?

Wenn Sie sich mit den Konzepten, die hier vorgestellt werden, vertraut gemacht haben, dann werden Sie mir zustimmen: Was auf dem Grund der Dinge vor sich geht, ist weder absurd noch unzugänglich; Es erschließt sich unserem Denken und kann von uns verstanden werden.

Und genau diese Erkenntnis könnte das Heilmittel für die gegenwärtige erkenntnistheoretische Desorientiertheit und deren fatale kulturelle Folgen sein: Sie bildet die Basis, von der aus sich Vernunft und Aufklärung erneut entfalten können.

Ist die Welt
nichtlokal?