Heinz Heinzmann

Lokale Auflösung des EPR-Paradoxons

Vorbemerkungen

Das EPR-Paradoxon wird in zwei Durchgängen geklärt: der erste Durchgang dient nur dazu, die Behauptung zu widerlegen, dass es unmöglich sei, die quantenmechanischen Voraussagen für Messungen an verschränkten Systemen durch eine ausschließlich lokale Theorie zu reproduzieren. Dafür genügt es, eine solche Theorie zu präsentieren – die sich daraus ergebenden physikalischen Folgerungen können vorläufig außer Acht gelassen werden.

Zum Verständnis des Paradoxons reichen einige wenige Fakten:

1. Durch die quantenmechanische Beschreibung eines Objekts wird für einige Attribute kein eindeutiger Wert festgelegt, sondern nur die Wahrscheinlichkeitsverteilung möglicher Messwerte.

2. Das gilt auch im Fall zweier räumlich getrennter Objekte, die in der Vergangenheit miteinander in Wechselwirkung standen oder die dem Zerfall eines Objektes entstammen.

3. Zwischen den Ergebnissen bestimmter Messungen an diesen beiden Objekten besteht dann ein Zusammenhang, der "Verschränkung" genannt wird. Z.B. sind bei zwei identischen Teilchen A und B, die aus dem Zerfall eines ruhenden Objektes hervorgegangen sind und sich vom Ort des Zerfalls in entgegengesetzte Richtungen entfernen, die Messwerte der Impulse in derselben Weise miteinander verknüpft wie in der klassischen Physik, d.h. es gilt jedenfalls pA = – pB . Ein anderes Beispiel: Zerfällt ein Spin 0 System in zwei Photonen, dann sind die gemessenen Polarisationsrichtungen der beiden Photonen zueinander rechtwinkelig.

Das ist schon alles! Was ist daran paradox? Auch das ist schnell erklärt:

Nehmen wir an, es wurde noch keine Messung durchgeführt. Dann ist also bloß die Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen Messwerte bekannt. Wird aber jetzt der Impuls von Teilchen A gemessen, dann ist wegen (3) natürlich auch im selben Augenblick der Impuls von Teilchen B gegeben, und ebenso verhält es sich im Fall der Photonenpolarisation.

Man kann nun mit Einstein, Podolsky und Rosen folgendermaßen argumentieren:

B ist von A beliebig weit entfernt. Die Messung des Impulses von A kann daher keinen Einfluss auf B haben. Wenn also nach der Messung des Impulses von A auch der von B gegeben ist, dann muss das Ergebnis der Messung von B schon vor der Messung von A festgestanden haben – andernfalls hätte ja die Messung von A eine Zustandsänderung von B bewirkt. Da aber die quantenmechanische Beschreibung diesen Impuls nicht enthält, ist sie unvollständig. (Der Impuls wäre in diesem Fall ein sogenannter verborgener Parameter.)

Ein plausibles Argument! Die Alternative wäre ja, einen nichtlokalen Zusammenhang zwischen den beiden Messwerten anzunehmen, d.h. einen Zusammenhang, der entweder eine überlichtschnelle Übermittlung erfordert oder überhaupt ohne einen vermittelnden Prozess existiert und einfach als solcher hingenommen werden muss.

Jetzt aber folgt die Paradoxie: Eben diese plausible EPR-Annahme, dass das Messergebnis an B schon vor der Messung an A feststeht, weil es einer objektiv existierenden Eigenschaft eines Einzelsystems entspricht, ist eine notwendige und hinreichende Bedingung für die Ableitung der Bellschen Ungleichung, aus der wiederum folgt, dass keine lokale Beschreibung der Welt möglich ist, die mit den – experimentell über­prüften – Voraussagen der Quanten­theorie überein­stimmt. Das Argument, mit dem EPR die Unvoll­ständigkeit der Quanten­theorie zeigen wollten, dient also schließlich dazu, ihre eigene Intention, die Welt auf lokale und objektive Weise zu beschreiben, ad absurdum zu führen.

Wir scheinen also gezwungen, uns mit der Nichtlokalität der Welt abzufinden. Dies ist jedenfalls der gegenwärtige Stand der Dinge.

 

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