Heinz Heinzmann

Über Induktion und die Begründung von Gesetzen

Warum gibt es Naturgesetze?

Vorbemerkung

Teil Zwei war der Suche nach den Naturgesetzen gewidmet. Dass es solche Gesetze gibt, ist dabei vorausgesetzt worden. Der Erfolg der Naturwissenschaften lässt diese Voraussetzung wie eine Selbstverständlichkeit erscheinen. Tatsächlich harrt hier aber ein fundamentales philosophisches Problem nach wie vor seiner Lösung: die Frage nämlich, warum sich die Natur gesetzmäßig verhält. Woher stammen diese Gesetze? Wo existieren sie? Auf welche Weise gelangt das Allgemeine in der Gestalt von Gesetzen in die Natur?

Als Begründung der Gesetzmäßigkeit der Natur bildet dieses Kapitel den Abschluss des physikalischen Teils. Da die Naturgesetze jedoch Schöpfungen bzw. – falls sie wahr sind – Entdeckungen unseres Geistes sind, ist es zugleich der erste Schritt bei der Durchführung der Aufgabe dieses dritten Teils: der Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Geist und Materie.

Das Problem

Ein Apfel rollt auf die Tischkante zu.

Was wird geschehen, wenn er darüber hinaus rollt? – Er wird nach unten fallen.

Warum? – Alle Gegenstände fallen nach unten.

Warum? – Sie gehorchen einem Gravitationsgesetz.

Alle drei Behauptungen erscheinen ohne Zweifel richtig. Es gibt Nichts, dessen wir sicherer sind. Daher ist es umso sonderbarer, dass unser gegenwärtiges Wissen über den Zusammenhang zwischen Einzelnem und Allgemeinem keine Möglichkeit bietet, sie vollständig zu rechtfertigen!

Überprüfen wir die letzten beiden Aussagen. Die Antwort: "Alle Gegenstände fallen nach unten" ist als Begründung der Gewissheit, dass der Apfel nach unten fallen wird, nicht zulässig. Es ist nur bekannt, dass in allen bisherigen Beobachtungen Gegenstände nach unten gefallen sind. Der Ausdruck "alle bisherigen Beobachtungen" bezieht sich aber auf eine endliche Zahl von Einzelfällen, und aus Einzelfällen – seien es auch noch so viele – kann nicht auf einen Allsatz der Form "Alle Gegenstände fallen nach unten" geschlossen werden.

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