Heinz Heinzmann

Geist und Materie: Vorbereitende Bemerkungen

Einleitung: Ein fundamentaler Mangel

Können wir die Welt begreifen?

"Keinesfalls!" entgegnet die gegenwärtige Physik und liefert scheinbar unwiderlegbare Beweise: etwa das Doppelspaltexperiment, das angeblich auf keine denkmögliche Weise beschreibbar ist, oder die Bellsche Ungleichung, die jede lokale Interpretation der Welt ausschließen soll, oder die relativistischen Raum-Zeit-Verhältnisse, von denen behauptet wird, dass sie unserer a priori vorgegebenen Vorstellung von Raum und Zeit widersprächen.

Wenn die üblichen Interpretationen dieser Szenarien tatsächlich die einzig möglichen wären, dann würde jeder Versuch, herauszufinden, was die Wirklichkeit ist und woraus sie besteht, augenblicklich scheitern, ja er wäre geradezu unsinnig, weil unsere Begriffsbildungen dann zum Verständnis der Wirklichkeit offenbar vollständig ungeeignet wären.

Glücklicherweise hat sich herausgestellt, dass dieser unerfreuliche Befund falsch ist. Im ersten Teil ist gezeigt worden, dass sich nicht nur die eben erwähnten, sondern auch viele andere paradigmatische physikalische Szenarien auf einsichtige Weise begrifflich interpretieren und verstehen lassen, und dass sich die einzelnen Interpretationen zu einem alternativen Bild der Wirklichkeit zusammenfügen, aus dem alle Absurditäten verschwunden sind.

Aber selbst wenn nun vorausgesetzt werden könnte, wir verstünden die Natur und die uns bekannten Naturgesetze seien wahr, so wäre doch der dadurch gewonnene Begriff der Wirklichkeit noch immer unvollständig und zutiefst unbefriedigend, weil in ihm jener Bereich der Wirklichkeit, den wir Geist nennen, nicht enthalten ist; – und mehr noch: weil es, trotz gegenteiliger Behauptungen von Seiten mancher Hirnforscher, innerhalb des gegenwärtig geltenden Verständnisses der Natur sogar vollkommen ausgeschlossen ist, geistige und materielle Wirklichkeit in einem Bild zu vereinen.

In der Vergangenheit war diese Unvereinbarkeit rein philosophischer Art. Für Kant war es noch möglich, den Widerspruch zwischen der Gewissheit, dass wir Teil der vollständig naturgesetzlich bestimmten Wirklichkeit sind, und der Überzeugung, dass wir einen freien Willen besitzen, als Folge der Undenkbarkeit des Dings an sich aufzufassen.



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