Heinz Heinzmann

Kosmologie


Die metrisch-dynamische Sicht des Universums führt zu einer Kosmologie, die sich von der Standardkosmologie erheblich unterscheidet. Sie soll in diesem Kapitel skizziert werden.

Was zurzeit als Geschichte des Universums erzählt und als gesichertes Wissen ausgegeben wird, ist ja hinlänglich bekannt. Ich kann mir also ersparen darauf einzugehen. Stattdessen will ich Sie etwas fragen:

Nehmen wir an, Sie messen heute die Länge Ihres Esstisches. Sie beträgt einen Meter. Morgen messen Sie abermals, und zwar mit demselben Maßstab. Diesmal ist das Ergebnis zwei Meter.

Was schließen Sie daraus? Entweder, dass die Größe Ihres Esstischs sich seit gestern verdoppelt hat, oder dass Ihr Maßstab auf die Hälfte geschrumpft ist (– oder dass sich die Größen beider verändert haben, aber diese Variante wollen wir außer Acht lassen). Offensichtlich lassen die beiden Messergebnisse für sich allein keinen Schluss zu, welche von diesen Alternativen die richtige ist. Die Entscheidung darüber ist nur möglich, wenn weitere Information verfügbar ist.

Das Gleiche gilt aber auch bezüglich der gemessenen entfernungsabhängigen Rotverschiebung: Nehmen wir an, wir messen die Wellenlängen von zwei Lichtstrahlen, die von einem bestimmten Element, sagen wir H, aus zwei verschiedenen kosmischen Entfernungen – d.h. zu zwei verschiedenen Zeitpunkten – ausgesendet worden sind. Die Messung erfolgt durch den Vergleich mit der Wellenlänge, durch die unsere Längeneinheit definiert ist. Offensichtlich gibt es zwei Möglichkeiten, die entfernungsabhängige Rotverschiebung zu interpretieren:

1. Das Universum dehnt sich aus.

2. Das Universum dehnt sich nicht aus – stattdessen schrumpfen unsere Maßstäbe, d.h. alle Wellenlängen, die zur Definition der Längeneinheit dienen können, nehmen mit der Zeit ab. (Das gilt natürlich auch für die Wellen, die H aussendet; ab dem Zeitpunkt der Emission bleiben sie jedoch unverändert.)

Auch hier gilt wieder, dass wir nicht direkt aus der Messung erschließen können, ob 1. oder 2. der Fall ist. Dafür wird zusätzliche Information benötigt. Der "Rest der Umstände" wird uns veranlassen, uns für eine Variante zu entscheiden.

Diese Offenheit der Interpretation der Rotverschiebung ist so offensichtlich, dass man sich fragen muss, woher eigentlich die Sicherheit stammt, mit der von Anfang an angenommen wurde, dass das Universum sich ausdehnt, und warum die Alternative niemals ernsthaft in Betracht gezogen wurde – umso mehr, als sich durch die Annahme, die Größe des Universums wäre unveränderlich und die Rotverschiebung sei eine Folge der zeitlichen Verkleinerung der mit materiellen Phänomenen verbundenen Wellenlängen die absurde Behauptung eines sogenannten Urknalls einfach erübrigt hätte.

Es fällt auf, dass im historischen Ablauf überhaupt nicht von einer "Wahl" die Rede sein kann; die Entscheidung stand von vornherein fest, weil die Alternative einfach nicht im Horizont des Denkbaren lag. Das bedeutet, dass hier tiefsitzende unbewusste Vorurteile wirken – solche, die schon vor jedem Denkakt bestehen und ihm vorausgesetzt sind. Es ist auch sofort klar, welches Vorurteil die Sicht auf die Alternativmöglichkeit verhindert: die Vorstellung von substanzieller, unveränderlicher Existenz, die in die Physik in der Form von Elementarteilchen und Naturkonstanten fortbesteht.

Um unsinnige und absurde Begriffsbildungen aufgeben zu können und zu einer widerspruchsfreien lokalen und objektiven Interpretation zu gelangen, war es schon bei der Erklärung der Relativitätstheorie und der Quantentheorie notwendig, die Vorstellung – nein: das Vorurteil von substanzieller Existenz aufzugeben und durch die Idee der Veränderung zu ersetzen. Jetzt, bei der Frage nach der Geschichte des Universums, ereignet sich dasselbe; Wieder ist es erforderlich, die aus der Tiefe apriorischer Vorurteile stammende Idee zu verwerfen, es gäbe etwas, was als unbedingtes, unveränderliches Existierendes gegeben sei. Genau diese Idee ist die Quelle der gegenwärtig vorherrschenden Überzeugung, es gäbe ein absolutes Maß, an dem sogar das Universum als Ganzes gemessen werden könnte, und aus dessen Existenz geschlossen werden müsste, dass das Universum sich ausdehnt.

 

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